Der Altdorfer Stadtrat will mehrheitlich eine Nordumgehungsstraße planen– die Grünen stimmten dagegen.
In der Bevölkerung ist dieser Plan umstritten, deshalb stimmten die Grünen dem Antrag für ein Ratsbegehren für einen Bürgerentscheid dazu zu – die Stadtratsmehrheit lehnte das aber leider ab.
Deshalb suchen wir nun andere Wege, um die Bevölkerung mit tiefergehenden Informationen und Diskussionsangeboten zu beteiligen, zuletzt mit einem Themenabend im Bürgertreff. Das Interesse war groß und der Austausch lebendig.
Aus dem Infoblock hier wesentliche Informationen zum Verkehrsvollgutachten und den Plänen der Stadt. Sie wurden zusammengefasst durch Fraktionsvorsitzenden Hans-Dieter Pletz anhand der Präsentation der Firma Bernard:
- Zentrales Anliegen des Verkehrsgutachtens: Entlastung des Marktplatzes und der Innenstadt
- Verkehrsmessungen 2023 ergeben:
Der Verkehr am Marktplatz besteht zu 75-64% aus Durchgangsverkehr. (Ein ähnliches Ergebnis hatte schon eine frühere Verkehrszählung ergeben.)
Als Veränderungen durch Nordumgehung werden prognostiziert:
=> Verkehr am Marktplatz nur geringfügig weniger (8-10 % )
=> Verkehr in einzelnen Straßen der Innenstadt (z.B. Türkei- und Bahnhofsstraße) deutlich weniger (30-40%)
=> Verkehr in Straßen im Randbereich (z.B. Hagenhausener Straße, Schießhausstraße) oder in Außenorten (Ziegelhütte, Unterwellitzleithen) deutlich mehr - Das Gutachten musste die offizielle bayerische Verkehrsprognose vom bayerischen Verkehrsplanungsamt zugrundelegen. Hier wird bis 2040 mit einem Zuwachs an Verkehr von bis zu 30% gerechnet.
- Die Bernard Gruppe rechnet mit Straßenbaukosten von 6,5-7 Mill Euro. Folgekosten für Straßenunterhalt oder Kostensteigerung innerhalb der vielen Jahre Planungszeit kommen noch dazu.
- Die ortsferne Variante wird inzwischen von allen Parteien abgelehnt.
Mehr Details finden sich in der Präsentation des Gutachtens.
Position der Grünen Fraktion und Argumente aus dem Austausch:
- Aus Grüner Sicht ist das wesentliche Ziel eine Entlastung des Marktplatzes:
da „wo mehr Leben stattfinden könnte“, aber „wo man sich für eine Überquerung viel Zeit nehmen muss“.
Für ein Gutachten ginge es dafür um die Frage, welche verschiedenen Maßnahmen welche Wirkung zu diesem Ziel haben könnten. Leider wurde die Fragestellung für das Gutachten aber enggeführt auf Auswirkungen einer offensichtlich bevorzugten Maßnahme: dem Bau einer Nordumgehung. - Eine Entlastung anderer Innenstadtstraßen oder gar der Südumgehung durch eine Mehrbelastung von Straßen im äußeren Stadtbereich oder gar Außenorten macht wenig Sinn.
Diese Veränderungen des Verkehrs bedeuten letztlich nur eine Verkehrsverlagerung oder sogar Verkehrszunahme.
(„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“ – mehr zu diesem grundsätzlichen Effekt z.B. hier:
https://www.vcd.org/artikel/mehr-strassen-gleich-mehr-autoverkehr)
- Die prognostizierten Zahlen für nördliche Straßen (Riedener Straße, Schießhausstraße, Hagenhausener Straße und Meergasse) sind nicht nachvollziehbar, da viel Verkehr in diese Richtung nur hier durchgehen kann.
- Ein Gesamtproblem der Straßenführung in Altdorf liegt im Fehlen eines Gesamtkonzepts. Auch diese Umgehungsstraße wird wieder ohne Verbindung mit Süd- und Westumgehungen geplant und verliert dadurch an Attraktivität und damit Effektivität.
- Der starke Anteil an Durchgangsverkehr am Marktplatz und der Innenstadt ist auch eine Folge der ungünstigen Verkehrsführung an Riegerkreuzung, Lidlkreisel und Fuchskreisel, an denen die Marktplatz-Durchfahrt z.B. durch Ampelphasen nahegelegt wird.
- Die Argumentation, ohne direkte Zufahrtsmöglichkeit zu Geschäften würden die Kund*innen wegbleiben ist mit dem Blick auf größere Städte verwunderlich: Dort sind ganz andere Wege von Parkplatz zu Geschäften üblich und selbstverständlich.
- In die offizielle bayerische Prognose mit einer starken Zunahme des Verkehrs könnte auch das Interesse einfließen, dass bei höheren Verkehrsprognosen die Bundeszuschüsse höher ausfallen.
Dazu könnte passen: Schon beim vorangegangenen Verkehrsgutachten trat die erwartete Zunahme an Verkehr gar nicht ein – es waren nur 4% statt prognostiziert 20% Verkehrszunahme. Höhere Verkehrsprognosen erzeugen Baudruck.
Außerdem wurden in diese Prognosen Faktoren nicht einbezogen, die Verkehr in Zukunft reduzieren werden/könnten (wie mehr Homeoffice, höhere Spritkosten, ein besseres ÖPNV-Angebot, Car Sharing, verändertes Mobilitätsverhalten jüngerer Generationen…). - Die Kostenannahme von 6,5-7 Mill. Euro wird durch Folgekosten und erwartbare Kostensteigerungen unrealistisch. Das sind beträchtliche Kosten, vor allem angesichts von rund 30 Mill. Euro Schulden in der Stadtkasse. Und das für 1,1 km Straße! „Auch wenn das eine Entlastung für manche Straßen in der Innenstadt bringt – ist es das wirklich wert“, fragte ein Gesprächsteilnehmer.
Im übrigen handelt es sich bei den eingerechneten Zuschüssen zwar nicht um Geld aus dem Stadthaushalt, aber sehr wohl um „unser Geld“ (aus unseren Steuern!) - Durch den Straßenbau würden 2,5 ha Fläche versiegelt, die jetzt für Landwirtschaft und Erholung genutzt wird.
- Anwohner der Umgebung dort weisen auf das Entwässerungsproblem hin, dass durch weitere Bebauung verschärft würde und die Kosten dafür erhöhen würde.
Alternative Lösungsideen der Grünen:
Zuerst einfache kostengünstige Veränderungen wie
→ Gestaltung von Kreuzungen im Westen und Osten (v.a. Riegerkreuzung, Lidlkreisel und Fuchskreisel), die Innenstadtdurchfahrt unattraktiver machen (z.B. durch Ampelschaltung und optische Gestaltung)
→ Den Durchgangsverkehr am Marktplatz selber unattraktiver machen (z.B. durch Erklärung zur Fahrradstraße oder Schrittgeschwindigkeit – die auch für die Navi-Zeitschätzung eingerechnet werden würde)
→ Den Durchgangsverkehr am Marktplatz sperren, entweder in der Mitte oder zeitweise, z.B. mit mobilen Poldern, die zeitweise oder für Rettungsfahrzeuge versenkt werden können. Gesprächsteilnehmer berichteten von positiven Eindrücken aus Kleinstädten z.B.in Niederbayern (Straubing, Deggendorf) mit Durchfahrtssperren nach Geschäftsschluss.
In Gesprächen haben sich übrigens auch Altdorfer Geschäftsleute offen für eine Marktplatzsperrung in der Mitte gezeigt.
Wie können sich Bürger*innen in die weitere Diskussion und Planung einbringen?
Der Stadtrat hat mit Mehrheitsbeschluss einen Bürgerentscheid durch Ratsbegehren abgelehnt.
Damit bleibt nur noch der Weg offen, über ein Bürgerbegehren einen Bürgerentscheid anzustoßen.
Der Stadtrat hat mit Mehrheitsbeschluss die Stadtverwaltung mit der Planung einer Nordumgehung beauftragt.
Eine Veränderung dieses Beschlusses wäre nur aufgrund neuer Tatsachen möglich.